Erntedankpredigt 2023

  • Der reiche Kornbauer (Lukas 12,15-21)
  • 15 Und Jesus sprach zu den Jüngern: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. 16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen. 17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. 18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter 19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast? 21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“
  • Liebe Gemeinde: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter, sagt Jesus. Es ist ja eher eine Art Lebensernte, die der reiche Kornbauer einfährt. Er kann von der Ernte künftig eine Rente beziehen. Er hat ausgesorgt. Es ist wie bei Hans im Glück, der sich mit dem Klumpen Gold auf den Schultern auf den Weg nach Hause macht. Da das letzte Hemd keine Taschen hat, besteht das Glück des Märchens darin, rechtzeitig alles auszugeben. Unglück ist, nicht mehr dazu zu kommen. Mit den Taschen voller Geld die Kreuzfahrt anzutreten und am 2. Tag auf dem Schiff an Herzinfarkt zu sterben, ist Unglück. Solche Männer bezeichnen wir gern als Idioten.
  • Wie gehe ich weise mit der Ernte mit dem Ertrag nicht nur eines Jahres sondern eines Lebens um?
  • Unser Landesbischof geht auch auf die 60 zu und macht sich Gedanken. Was möchte er mit warmen Händen weitergeben? Er findet das Bild des Brückenbauers schön. Er möchte eine Brücke für die nachfolgende Generation bauen, so das Thema seines diesjährigen Vortrages auf den regionalen Pfarrertagen. Eine Brücke in die Zukunft.
  • Welches Bild finde ich für mich persönlich. Ich bin ja mit den Geschichten der Bibel groß geworden und habe sie schon auswendig gekannt noch ehe ich in die Schule gekommen bin. Seitdem lebe ich auch in diesen Geschichten. In dieser Weisheitsgeschichte vom reichen Kornbauern zum Beispiel. Der Ertrag meines Lebens sind die Pensionsansprüche aber doch wohl noch mehr die Lebenserfahrung, die ich erworben habe. Wie gehe ich damit um?
  • „Denn es muss ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit, Vernunft und Geschicklichkeit getan hat, sie einem andern zum Erbteil lassen, der nicht daran gearbeitet hat. Das ist auch vergeblich und ein großes Unglück.“ So steht es im Buch des Predigers Salomos. Über dieses große Unglück erzählt Jesus die Geschichte vom verlorenen Sohn. Am Ende ist der Vater froh, den Sohn lebend zurück zu haben ohne große Schäden an Leib und Seele, nachdem der Sohn das Erbe durchgebracht hat. Statt zu vererben noch einmal ein neues Haus bauen, ein Schatzhaus für den Lebensertrag. Zimmer und Kammern voller Bücher, Erinnerungsstücke, Sammlungen. Sich mit tausenden Dingen umgeben, die man dann ordnen und verbrauchen kann. Habgier sagt das Gleichnis dazu.
  • Liebe Gemeinde, wenn nun weder der Verzehr der Rente, noch das Vererben und schon gar nicht die Investition in eine Immobilie weise sind, sondern ins Unglück führen, was bleibt dann? Es gibt ja viele Gottesdienste im Jahr insbesondere der Heilige Abend, wo die Familie im Mittelpunkt steht. Erntedank geht es einmal nicht um die Familie sondern um das Reich Gottes. Es geht nicht um mich und die mit mir noch in meinem Haus sind, es geht nicht um mein Haus, sondern um diejenigen, die vor meinem Haus sind. Es geht um uns, die wir heute hier versammelt sind, um die Gemeinschaft und das Miteinander in einem Dorf, einer Stadt, einem Land.
  • Nun sind für dieses Miteinander die sieben Werke der Barmherzigkeit für uns Christen grundlegend: Hungernde speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde als Gäste aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke besuchen, Gefangenen beistehen und Verstorbene bestatten. Es handelt sich dabei um nichts Großartiges sondern um Mitmenschlichkeit.
  • Diese Mitmenschlichkeit kann und sollte ich ausweiten, so der Rat des Gleichnisses. Denn offensichtlich ist ein Schatz im Himmel lebensförderlicher als ein Schatz im Keller. Offensichtlich verlängert Weisheit das Leben während Dummheit es verkürzt. Das ist nicht nur Aussage dieses Gleichnisses sondern auch Lebenserfahrung. Das ewige Leben als ein Leben in Frieden und Freude im Heiligen Geist beginnt jetzt und wächst hinüber in die Ewigkeit.
  • Was kann ich tun, um mit meinem Lebensertrag einen Schatz zu erwerben? Und diesen Schatz erwerbe ich dann nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder, für mein Haus als eine Brücke in die Zukunft, als sinnvolle Investition, als das, was ich zurücklasse, wenn ich gehe und zugleich mitnehme.
  • In das Miteinander investieren! Ich kann das auch tun, wenn mein Lebensertrag nur sehr klein ist. Denn die Ernte ist groß und wenige sind der Arbeiter. Statt zu Hause zu sitzen kann ich auch ernten, Schätze einsammeln für das Miteinander.
  • Liebe Gemeinde, wir scheinen in einer Zeit zu leben, wo viele sich aus der Gemeinschaft zurückziehen. „Mein Haus, meine Burg!“ Ein ungebrochener Trend in Deutschland ist die Anschaffung von Wohnmobilen. Da kann ich dann mit dem eigenen Haus sogar in den Urlaub fahren. Wo früher religiöse und psychologische Bücher in der Buchhandlung standen, sind heutigentags die Regale mit Selbsthilfebüchern mehr als gefüllt. Die Beschäftigung mit dem „neuen Ich“, dem „inneren Kind“, der „Achtsamkeit“, der „Reise zu mir selbst“, boomt. Und unsere Gesellschaft zerfällt in Einzelteile. Wir reden weniger miteinander und mehr übereinander. Die Positionen werden zunehmend unversöhnlicher. Es wäre mehr als tragisch, wenn zukünftig Wähler der Grünen und Wähler der AfD nicht mehr in dieselbe Kirche gehen und nebeneinander sitzen können, wo wir doch ein Volk sind. Und wo die Ernte nach wie vor so groß ist, dass sie für alle mehr als reicht.
  • Das Festmahl ist das Bild der Bibel für ein fröhliches Miteinander. Es ist auch das Bild, das mir am Besten gefällt. Was ich ernte, mein Überfluss, kommt auf den Tisch. Vom Tisch darf sich jeder bedienen, der an den Tisch kommt. Jeder darf nach seinen Bedürfnissen nehmen. Manchmal kommt nur wenig auf den Tisch: Davon handelt das Evangelium des Erntedanktages. Manchmal kommt sehr viel auf den Tisch: Davon handelt die Gütergemeinschaft der ersten Christen. Dort wird berichtet, das Menschen ihre Häuser und Äcker verkauften für das Miteinander. Wichtig ist dort, dass nichts unterm Tisch bleibt. Dass wir offen und freigebig miteinander umgehen, mit dem was wir haben. Dass wir nichts verstecken sondern einander vertrauen. Ich bringe mich ein mit dem, was ich bin und habe.
  • Dazu gehören Freude und Mut.
  • Ich freue mich schon darauf nächstes Jahr wieder mit Jugendlichen nach Taizé zum Jugendtreffen zu fahren und nicht nur mein Touristenenglisch zu verbessern sondern Gemeinschaft zu erleben und zu vermitteln. Reisen die mich stark geprägt haben waren die Besuche der aramäischen Klöster in der südöstlichen Türkei und besonders der koptischen Klöster in Ägypten nach der Wende: Urchristliche Gemeinschaften die die Gütergemeinschaft der ersten Christen seit 1700 Jahren leben. Ich fand es faszinierend.
  • Nun besteht die Aufforderung des Gleichnisses nicht darin alle Häuser zu verkaufen. Schätze im Himmel sammeln wir auch mit dem Gewinn unseres Lebens, dem Überschuss. Und ich meine, dass christliche Gemeinschaften wie die koptischen und aramäischen Klöster, wie die Gemeinschaft von Taizé Vorbild sind und Maßstab, an dem ich mich orientieren kann. Solange Kräfte und Gesundheit es zulassen ist es nicht sinnvoll in den Ruhestand zu gehen und sich aus der Gemeinschaft zurückzuziehen. Wir leben füreinander, wir bauen Brücken zueinander und darin finden wir Freude und Lebenskraft die unser Leben aus der Zeit in die Ewigkeit blühen und reifen lässt.
  • Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. Amen.